Ein schwarzes Rechteck, darüber ein schwarzer Halbkreis. Die inneren Flächen sind gefüllt mit schwarzen, transluzenten Pinselstrichen, während sich der Hintergrund in einem einheitlichen Grau zeigt. Oder: Ein dunkelvioletter Farbblock mit weißen Tupferln, drumherum mit scharfem Strich eine Linie aus Kohle, die Rücken- und Armlehne sowie Stuhlbeine andeutet. Oder: Viele feine, kreisende Striche, die in ihrer Gesamtheit die Form eines Sitzmöbels wiedergeben.
Das sind nur drei Beispiele, wie sich Alois Riedl seinem Hauptsujet der ersten Schaffensphase genähert hat. In hunderten Bildern und Zeichnungen gelingt es ihm immer wieder auf neue Weise Sessel, Fauteuils oder Hocker darzustellen. Bedingt ist dies nicht durch den ständigen Wechsel seiner porträtierten Objekte oder der Perspektive, sondern das Experimentieren mit malerischen Mitteln und Ausdrucksweisen.
Betrachtet man die Zeit, in der die Sesselbilder entstehen, beginnend von den 1960er bis zu den 80er-Jahren, lässt sich im Allgemeinen eine Abkehr von der Malerei feststellen. In Wien wird der Wiener Aktionismus begründet, international erfährt erst die Performance Art, dann die Konzeptkunst eine Hochphase. Malerei, vor allem das klassische Tafelbild, geraten in den Hintergrund und progressivere Darstellungsformen bestimmen die Kunstszene. Doch Riedl lässt sich davon nicht beirren und verfolgt konsequent seinen Weg. Eine Erklärung lässt sich möglicherweise aus seiner Biografie herleiten. Wenngleich er schon als Kind mit der Kunst und Alfred Kubin in Berührung kommt, als dieser einem Nachbarsjungen wöchentlich das Zeichnen unterrichtet, fasst Riedl erst spät, mit 25 Jahren, den Entschluss, einen künstlerischen Weg einzuschlagen. Er möchte keine Zeit verlieren und anstatt sich in verschiedenen Medien auszuprobieren, verschreibt er sich ganz der Malerei, um dabei ihre Möglichkeiten auszureizen. Der Sessel scheint zwar durch sein mannigfaltiges Auftreten wie eine Obsession, doch die wahre Obsession ist die Malerei. Als müsste er die verlorenen Jahre und die ausgebliebene Ausbildung an der Akademie aufholen, beginnt Riedl auf stilistisch unterschiedliche Arten mit der Darstellung von Sesseln. Er wählt sie, da er etwas Gegenständliches benötigt, um malen zu können. Sie sind daher mehr Zweck als Bedeutungsträger. Sie bilden Ausgangspunkte, von denen aus die Malerei in den Vordergrund tritt. Betrachtet man die Bilder, lassen sich stark gegenständliche Darstellungen, aber auch informelle Varianten bis hin zur aufgelösten Abstraktion feststellen. Gemein ist ihnen die intensive Auseinandersetzung mit Formen, Farben und Bewegung.
Anhand der in der Ausstellung gezeigten Werke lässt sich die Entwicklung innerhalb Riedls Oeuvre nachvollziehen. Stehen am Beginn noch stilllebenähnliche Darstellungen von Sesseln und Hockern, rückt der Anspruch auf eine realistische Wiedergabe mit der Zeit immer weiter in den Hintergrund.
Besonders deutlich wird das in der Werkreihe „Tropea“, bei der sich einzelne Elemente wie z. B. eine Rückenlehne nur noch andeuten. Hier stehen die Farbflächen, das Spiel mit den Ebenen und der Pinselstrich im Vordergrund. Sie ist zudem die einzige Serie, die Riedl betitelt hat. Die übrigen Arbeiten verbleiben stets „Ohne Titel“ und entziehen sich somit einer vorgegebenen Interpretation.