Ich schmecke dich noch für Stunden. Tage und Jahre.
Hunde. Zähne. Familienfotos. Fragmente von Gegenständen. Überlagerungen. Ein sepia-ähnlicher Grünton. Dünner Farbauftrag. Durchschimmernde Leinwand.
Die Werke von Paulina Aumayr (*2002 in Wien) folgen einer einheitlichen Bildsprache, die dem Betrachtenden eine Welt offenbart, die zunächst rätselhaft erscheint. Wenngleich einzelne Elemente sofort erkennbar werden, scheinen diese keinen Anfang und kein Ende zu haben. Sie überlagern sich und fließen ineinander über. Zwischen Nase und Mund entspringt ein Hund. Während ein Schlüssel in einem Zahn steckt, legen sich die übrigen Schlüssel am Metallring neben der Zunge auf der Unterlippe ab. Eine Badarmatur mündet aus einer geöffneten Hand. Ihre Bilder verfügen über eine surrealistische Komponente. Nicht auf die humoristische Weise wie bei Salvador Dali oder René Magritte, sondern im eigentlichen Sinne der Surrealismus. Basierend auf den Erkenntnissen der Psychoanalyse von Sigmund Freud wird Erlebtes, Traumhaftes und Unbewusstes zum Gegenstand der Kunst.
Aumayr verarbeitet in ihren Werken Erinnerungen und Erfahrungen. Manche ihrer Bilder wirken wir ein Fiebertraum. Versinnbildlicht wird das Motiv des Traumes in einer Installation, die aus einem Bett besteht. Während auf dem Kissen ein weit geöffneter, möglicherweise schreiender Mund dargestellt ist, befinden sich auf der Bettdecke Hunde und eine Nase. Auch die Schnauzen der Hunde sind weit geöffnet und suggerieren eine aggressive Haltung. Das Bett, ein Ort der Ruhe und Erholung, wird hier zum Schauplatz von Konflikten.
Ganz anders, ruhiger, wirken die Arbeiten im Nebenraum. Nachgemalte Fotos, eingelassen in Latex, zeigen Momente eines Familienlebens. Die schwarz-weissen Ausschnitte geben eine Hochzeit und Situationen mit einem Kind wieder. Die Titel (u. a. Meine Hände nicht mehr die, die nach dir gegriffen haben) lassen vermuten, dass etwas Tragisches geschehen sein muss. Das Latex nimmt die Funktion von Bernstein ein. Es konserviert etwas aus der Vergangenheit, das sich zwar betrachten, aber nicht mehr anfühlen lässt.
Die ausgestellten Werke von Paulina Aumayr entfalten eine dichte, beklemmende Atmosphäre, in der zentrale Themen wie Kindheit, patriarchale Strukturen und männlichen Gewalterfahrungen miteinander verwoben sind. Ihre Bilder spiegeln die Ambivalenz der Kindheit wider, in der Unschuld und Verletzlichkeit auf eine brutale Realität stoßen können. Die wiederkehrenden Motive, die in düsteren, grünlichen Tönen gehalten sind, zeigen Szenen, die gleichzeitig vertraut und verstörend wirken.
Auch wenn ihre Arbeiten autobiographisch sind, können und müssen sie losgelöst davon betrachtet werden. Die Ausstellung wirft Fragen nach Machtverhältnissen und Geschlechterrollen auf, wobei die Erfahrung von Gewalt, Unterdrückung und Verlust in den Mittelpunkt gestellt wird. Durch Aumayrs Darstellungen werden die tiefen, oft unausgesprochenen Wunden sichtbar, die patriarchale Systeme hinterlassen. In einer Gesellschaft, in der Machtmissbrauch und Gewalterfahrungen bis hin zu Femiziden bei Frauen alltäglich vorkommen, liegt es in der Verantwortung aller, nicht wegzuschauen und sich eigener Privilegien bewusst zu sein.
Paulina Aumayr wurde 2002 in Wien geboren. Sie studiert seit 2021 auf der Akademie der Bildenden Künste Wien in der Klasse von Daniel Richter (Erweiterter malerischer Raum).